Porkcamp – Schwein gehabt

Ausnahmsweise eine Geschichte im Ich, da die dritte Person meinen Verstand gberochen hätte.

Es sind die Momente des Unverständnisses im Leben, wenn sich dein Gesprächspartner an den Kopf greift und sich fragt, von welchem Blitz du gerade gestreift wurdest. Dies ist jetzt keines meiner Alleinstellungsmerkmale und ich kenne und schätze auch den umgekehrten Weg. Dennoch zauberte die Ansage meiner Teilnahme am Porkcamp zahlreiche Fragenzeichen in Gesichter und die Anfahrt nach Neuruppin bei Berlin und die Ankunft im Dunkeln schmeichelte passend mit dem Charme einer Selbsthilfegruppe der Betty Ford Klinik.

Zwei Wochen nach der Veranstaltung suche ich noch immer die Adjektive und Gefühle um das Porkcamp zu beschreiben. Ich habe tolle Menschen und Köche kennengelernt, auf einer Ranch in Brandenburg Rinder gezählt, neue Rezeptideen spucken durch meinen Kopf, ich hätte gerne einen Dackel und werde Urlaub in Brandenburg machen. Das entspricht aber nicht dem wichtigsten Teil: der Teilnahme an der Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung eines Schweins.

Viel habe ich in den letzten Monaten über Respekt gegenüber dem Tieren diskutiert, die immer stärker klaffende Schere zwischen Analog-Schinken und handgezogenen Bio-Salami vom Eremiten von Sizilien erörtert und dazwischen bei Burger King gegessen. Dazu kommt auch das eigene Hinterfragen der Beweggründe, die sich aber wohl aus zwei Bereichen zusammensetzt: Neugierde und Interesse. Neugierde an dem Prozess des Schlachtens und der Verarbeitung. Wie groß ist das Leiden für kulinarische Freuden. Interesse am Tier und dem Zeitpunkt, wenn es zum Lebensmittel wird, um sich in unzählige Produkte zu verwandeln.

Im Endeffekt handelt es sich beim Porkcamp um eine fantastisch organisierte und durch das Mitwirken aller wunderbare inspirierte Veranstaltung. Florian Siepert hatte eine tolle Idee und einen genügend langen Atem, um sein Interesse in die Tat umzusetzen. Das Gut Hesterberg ist in all seiner neo-kolonialer Aufmachung ein verantwortungsvoll geführter Ort der Haltung und Schlachtung von Tieren. Und das System der Barcamps – auf Rezepte und Zubereitungsschritte umgelegt – funktioniert entsprechen. Neben den hauseigenen Rezepten für Würste aller Art kamen so noch eine feine Boudin Noir oder geschmacklich meinungsspaltende Bratwürste mit Blutorange und Grappa. Grillen, Schmorren, Einkochen oder Braten, nicht alle Rezepte funktionierte nach Wunsch, aber viele Köche verderben auch den Brei. Dies ist insoweit falsch, als kein einzig gelernter Koch sich an Faggots, Loh Bak oder Spare Ribs versuchte, sondern reine Enthusiasten und die Ergebnisse und Rezepte sich wohl fest in mein Standardepertoire engebrannt haben.

Auch zwei Wochen nach der Rückkehr konnte ich keinen meiner Freunde oder Kollegen dazu begeistern, sich auch einmal mit der so genauen Frage der Herkunft zu beschäftigen. Doch die Frage muss nicht über das Schwein geklärt werden, sondern es finden sich auch zahlreiche weitere schöne Möglichkeiten, den produktionstechnischen und kulinarischen Dingen auf den Grund zu gehen:

Alle Fotos findet ihr hier.

Und meinen schlechten Musikgeschmack entschuldigend:

Ist da Pferd drinnen?

Im beruflichen Kleinteam spielen sich die größten Dramen und besten Komödien ab. Grundsätzlich sollte man berufliches und privates trennen; da das Leben allerdings keine Trennkost ist, fand sich mein berufliches Umfeld bereits zu diversen lukullischen Genüssen zusammen. Nach Raclette, BBQ, Thaicurry und tschechischen Antipasti, eingelegt in Becherovka, ging es nun daran österreichisch zu bewirten.

Das Menü bestand aus Käferbohnensalat mit Kürbiskernöl und einem Fiakergulasch. Zur musikalischen Untermalung bietet sich ein österreichischer Klassiker von Kurt Sowinetz an:

Sollten die Käferbohnen getrocknet sein, diese für 24 Stunden in Wasser einlegen und dann in Salzwasser kochen, bis diese bissfest sind. Die Käferbohnen mit Essig und reichlich Kernöl abmachen, Zwiebel und Knoblauch addieren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Am besten als Vorspeise servieren.

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Für das Gulasch schneide man – wie in diesem Fall für acht Personen – zwei Kilo Zwiebel klein, bis die Augen leuchten wie Bremslichter. Man nehme die gleiche Menge Gulaschfleisch (egal ob Schwein, Kalb, Pferd oder Gnu, Hauptsache eine Sorte wegen der Kochzeit), tupfe sie trocken oder auch nicht und brate die in Würfel geschnittenen Stücke in reichlich Sonnenblumenöl in einem großen Topf an. Nach erfolgreicher Bräunung der Fleischstücke auf zumindest drei Seiten, werden diese zum chillen beiseite gelegt und die geschnittenen Zwiebeln nehmen ihren Platz im Topf ein. Die Zwiebel glasig dünsten, mit Paprikapulver, Knoblauch, Salz, Pfeffer, Chilli und geriebenen Kümmel in ausreichender Menge bekannt machen. Wie gesagt, hier wird für acht Personen groß aufgekocht, weshalb auch mit den Zutaten nicht zu sparen ist. Das Fleisch wieder zuführen und dann dünsten lassen, bis sich alles in Wohlgefallen und Gulasch zersetzt. Alternativ kann man auch noch ca. 1 Liter Rindssuppe ins Spiel nehmen und die Komposition ausdünnen. Dann wird es eher zu einer Suppe, wie in meinem Fall.

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In der Zwischenzeit hat man sich schon dem nächsten Bestandteil gewidmet: dem Serviettenknödel. Dazu eine Packung Toastbrotscheiben von der Rinde befreien und mit ca. 0,5 Liter warmer Milch für ca. 30 Minuten ruhen lassen. Gehackte Petersilie, Eier (ungefähr vier Stück), Salz, Pfeffer, Speck (bei Bedarf) und xxx einrühren und die ganze Masse zu einem Fest für die Finger werden lassen. Auf einer Klarsichtfolie wird der Patz dann zu einer Wurst aufgereiht – wer auch immer Zigaretten gedreht hat, ist hier von Vorteil – und an den Enden verschlossen. Darüber kommt noch eine Schicht Alufolie. Wem dies zu alternativ ist, kann den konservativen Weg nehmen und eine Serviette/Geschirrhangerl hernehmen. Das Kunstwerk in heißem Wasser für ca. 25 Minuten kochen bis die Konsistenz vom Halbflüssigen ins Feste übergegangen ist. Da ich diesen Moment nie erreicht habe, wurde in dieser Hinsicht von mir geschummelt: ich habe die Verpackung einfach aufgerissen und aus der langen Wurst kleine Knödeltaler geformt, die ich abgebraten serviert habe.

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Als weitere Beilage zum Fiakergulasch werden Wienerle/Frankfurter, Spiegeleier und Essiggurkerl gereicht. All dies macht ein herrliches Fiakergulasch aus. Wichtig ist, die Gurkerl aufzufächert. Dazu mache man aus einem zwei und schneide die Hälften in kleinen Abständen ein ohne sie ganz durchzusägen. Dann mit der flachen Hand aufdrücken und fächern.

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Passende Getränke: zur Vorspeise ein herrlicher Schilcher aus der Weststeiermark, zur Hauptspeise irgendein Bier, Hauptsache Bier und zum nicht vorhanden Dessert ein Schnaps oder Whisky zur Verdauung.

Dies war mein erstes Gulasch und einige Punkte sind festzuhalten:

  • beim Zwiebelschneiden kann man irgendwann nicht mehr weinen
  • dafür riecht man auch noch Tage danach nach Zwiebeln
  • nimm lieber zwei mittlere Töpfe, als einen großen, in dem du nie mehr umrühren kannst
  • addiere nur Suppe wenn du Suppe willst
  • Knödel muss ich noch üben
  • Ich habe noch immer nicht die Unkosten verrechnet
  • ja Lukas, man kann auch ein Pferd hineinschneiden; nur woher kriegen ist die Frage
  • ja ModeZampano, die Fotos sind noch immer Schrott

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Essig, Öl, Petersilie, Schweineköpfe und die Harnsäure

Die Lieblingsanekdote meiner Mutter beschreibt eine Situation in einem Grazer Gasthaus, in dem Sie bitte nie nach einer Speisekarte fragen, aber die ganze Kulinarik durchkosten sollten. Während ich im jugendlichen Alter von zwei Jahren von ihr gefüttert werde, stopft mir parallel dazu ein zweiter Gast immer Topfenstrudel hinein und ich war glücklich.

Folglich ist es auch schwer mich als Kostverächter zu bezeichnen, da ich im Gegenteil alles zu mir nehme. Eine große kulinarische Bereicherung in dieser Hinsicht war meine Tätigkeit in der Gamlitzer Weinstube in Graz, die zu den besten Lokalen der Stadt zählt. Kleiner Tipp: Lassen Sie sich vom Personal nicht beeindrucken, sondern laden Sie dieses auf ein kleines Bier ein.

Dort lernte ich, dass die besten Gerichte aus den Teilen des Tieres gemacht werden, die in der heutigen Zeit sonst einfach weggeschmissen werden: Kalbs- und Schweinsköpfe, alle Arten von Innereien, Schweinshaxen etc. Es geht nichts über gebackene Schweinswangerl, einen gebackenen Kalbskopf, Beuschl (das verlinkte Rezept ist die Luxusversion), Flecksuppe oder eine gute Sulz mit Kürbiskernöl (auch dieses Rezept ist die Luxusversion, da du für die einfache Sulz vor allem Schwarteln nimmst).

Nach meinem Aufenthalt in Grenoble, dessen Mannschaft ich übrigens zum Aufstieg in die erste Liga gratuliere, muss ich nun auch in München verargumentieren, warum derartige Speisen kein Scheiß sondern Spezialitäten sind. Auch wenn ich aufgrund meiner überkochenden Harnsäure all diese Spezialitäten nicht mehr essen darf, empfehle ich dne Gang zum loaklen Fleischer und das Ausprobieren derartiger „bizarrer“ Gerichte. Frei nach dem Motto „ein bisserl Essig, ein bisserl Öl, Petersilie drauf und fertig“ sollten sich auch für deutsche Geschmäcker andere Varianten auftun.

Ich schreibe das Ganze deswegen, da es mich bei meiner morgendlichen Klolektüre fast vom Thron geschmissen hat, als ich dieses Rezept im SZ Magazin fand: Schweinskopf mit Erbsen.