Ein Klingeln voll Paprikahuhn

Der Großvater seines ehemaligen Mitbewohners hatte wohl einer der ungewürdigsten Erfindungen seiner Zeit und vor allem der Neuzeit gemacht: das Klingeln an der Schreibmaschine. So auch alsbald das Geld in der Kasse klingelte, ließ er sich weder das Klingeln patentieren noch das Hirn weiter nach künftigen Ideen rotieren. So sind die Erinnerungen an ihn wohl getrübt, doch die Erinnerung an diese klangvolle Erfindung rotierte noch lange durch den Freundeskreis.

Daran musste er auch wieder denken, als er das Paprikahuhn neu erfinden wollte.  Die Erinnerung daran hatte ihm was vorgegaukelt, was der ersten eigenen Version widersprochen hatte. Die Sauce war gut und auch die Spiralnudeln hatten den gleichen Dreh wie in seiner Jugend, nur das Huhn hatte eine Haut wie Mick Jager und den Biss von der UNO.

Passend zum Huhn drehten die Stones die Plattenteller

während er die Kartoffeln aus dem Keller holte, damit sie den Sparschäler in Bewegung setzen konnte. In einer großen Schüssel mischte er geschälte Dosen mit Tomaten mit frischem Chili, Salz, Pfeffer, einem Schuss Rotwein, Majoran und Basilikum. Die Tricolore an Paprika erfuhr ein scharfes Messer und streifte sich die Körner ab zu einer Ausrichtung in Reih und Glied. Statt der Nudeln attackierten die beiden in einer Spirale von Gewalt die Kartoffeln in Viertel in das Blech und begoß die Ernte mit der Tomatenmischung und den Streifen voll Paprika. In den frivolen Tomatenpool schwangen sich Schenkel, Flügerl, Brüste, Krägen und Bürzel und er bestrich die Kombo mit Öl und würzte sanft nach. Im Backrohr jubilierten die Zutaten und die Hühnerteile erfuhren nach 25 Minuten eine interessante Wendung sodass die Hautoberseite in der zweiten Halbzeit die perfekte Bräunung erfuhr.

Die eigene Kreation verursachte gebräunte Hühnerhaut mit Tomatensauce und feiner kartoffeliger Sättigungsbeilage. Und während sie den Knochenjäger spielte versank er in Zufriedenheit und Glücksgefühl.

Bomba Limone

Er hatte nur das Beste im Sack und den Tipp vom Foodstylisten wegen der Verwendung von Zitrone.

Der Foodstylist hatte die feinsten Zutaten für das Fotoshooting besorgt, die Vorsicht bei der Auswahl nicht vom Preis abhängig gemacht und auf Schönheitsoperationen à la Haarlack auf die Lebensmittel für den feinen Glanz verzichtet. Folglich hatte er die seinen Anteil an der Produktion dabei und war wild entschlossen neue kulinarische Spitzfindigkeiten zu begehen. Zwar wurden er und sein Sack in der U-Bahn von allen Seiten angesehen, die neidischen Blicke spiegelten aber den genialen Inhalt wieder.

Sie goss gerade Hans den Rosmarin als die Tür aufflog und er die Schätze ausbreitete.

Im Duell mit dem Gemüse, in diesem Fall den geschnittenen Minizucchini und den Gewürzen in der überkochenenden Hitze der Pfanne zogen die beiden die neueste Waffe – Zitronensaft, der Geschmacksträger par excellence – und zögerten nicht lange.

Ein kräftiger Schuss Saures übergeantwortete sich über dem Gemüse-Chili-Gewürz-Gemisch, welches anstandslos mit einer Wolke aus Zitronensaft und Chilischärfe zurückschoss. Beide mussten hustend und keuchend abdrehen und die Szenerie dem Gemüse überlassen. Das Gemisch hatte sich in Ohren, Nasen und Haaren verfangen und musste lange und intensiv mit Bier und Frischluft ausgelüftet werden.

Die Pfanne war eine alte Bekannte, die bereits die Steaks beherbergt hatte. Dazu wurde ihr ein Schuss Butterschmalz überantwortet und zwei wunderbare argentinische Rindersteaks in das heiße schmatzende Fett bugsiert. Auf beiden Seiten kurz und scharf verbraten, mit Salz, Pfeffer, Chili und Rosmarin bekannt gemacht. Den gleichen Trip hatten ein Rosmarinzweig und drei Knoblauchzehen mit Schale gebucht. Die Truppe wurde nach drei Minuten auf einer Alufolie der Länge nach mit Zitronen ausgebreitet und in das vorbereitete Backrohr mit geschätzten 80 °C gesteckt.

Währenddessen sie den Tisch deckte und die passende Musik in den Mixer gab,

schuf er das Salatgrün noch unter die Dusche, dressierte es mit Kernöl, Essig, Salz, Pfeffer und Salatkräutern und marschierte es mit essbaren Blüten in die kommende Schüssel. Ja, irgendwann später gab es denn grünen Salat mit den essbaren Blüten. In diesem Fall wurden allerdings blanchierte Bohnenschotten (für 2 Minuten in kochenendes Salzwasser schmeißen und dann kalt abgießen) mit Tomaten und Paprika zu einer  mir mir mitttlerweile entfallenen Vinaigrette vermengt (wahrscheinlich Balsamico mit Olivenöl, Senf und den üblichen Verdächtigen unter den Gewürzen).

Die Steaks nach gezählten 5 Minuten aus dem Ofen, auf dem Teller drapiert, mit den Minizucchini Hand in Hand schaute er in ihre Augen, erkannte noch ein wenig vom Glitzern des atomaren Zitronen-Chili-Pilzes und war einfach nur glücklich. Wieder hatte er das Kochen überlebt und es schmeckte ihr und das konnte er ihren Augen ablesen. Und das ist das einzige was zählte.

Rolle Vorwärts à la Rothmund samt Mischmaschgemüse im spülfähigen Alter

Man sieht es meinen Rezepten an, dass ich besser über Essen schreibe als es zu Kochen oder zu Fotografieren (siehe auch die netten Kommentare auf Flickr). Sollte dem auch nicht so sein und nur kulinarische Spastiker sich an meinem Blog delektieren, auch gut.

Doch, was mich treibt ist wie beim aktiven Fußballspiel die Lust und die Freude, vor allem aber auch die Erkenntnis, dass ich lernfähig bin. An einem Vorabend eines langen Geburtstagsabends ging es nun daran, die geistige in die gestalterische „Rolle vorwärts“ zu verwandeln.

Für die Assistenz der Küche wurde noch schnell ein Lied aufgelegt 

und schon ging an die Produktion der „Rolle Vorwärts à la Rothmund samt Mischmaschgemüse im spülfähigen Alter“.

Für die „Rolle Vorwärts“ vier Putenschnitzerl auf einem Brett drapieren und mit einem scharfen Messer seitlich einschneiden (à la „Urigeler“ Style, indem man die Hand auflegt), sodass eine Tasche entsteht.

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Also keine zwei Schnitzel aus einem machen. Die Taschen mit Weichkäse ausschmieren (Bresso hat sich für unsere Zwecke als aromatisch erwiesen). In einem Speck- oder Prosciuttoblatt eine getrocknete Tomate (oder was auch immer, Bernd würde wahrscheinlich einen Gummibären nehmen) einrollen und in die Tasche stecken, wie den Schlüsselbund in die Hosentasche. Das ganze mit einem Zahnstocher oder einem Rosmarinzweig verschließen.

In der Zwischenzeit hat die Assistenz bereits einige Kartoffel (mit Haut) gewürfelt, ebenso ein paar Karotten, einen Kohlrabi, eine Fenchelknolle, Zwiebel und Knoblauch.

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Die gesamte Vitamincrew wird in heißem Butterschmalz scharf angebraten, Deckel drauf und für ca. 25 Minuten bei mäßiger Hitze in Ruhe gelassen. Nur noch mit Salz, Pfeffer und verschiedenem Kräuterwerk versehen.

Nun die Rollen Vorwärts ebenfalls von allen Seiten scharf anbraten und im vorgeheizten Backrohr, nach der Würzung mit Salz, Pfeffer für 15 Minuten durchbacken.

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In der Zwischenzeit den Tisch decken, die zweite Flasche Wein öffnen (die erste wurde verKOCHt), grünen Salat mit einer Vinaigrette abmachen, die Gäste hereinlassen, Kerzen anzünden, Smalltalk betreiben und abwaschen.

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Dies ist der Tribut an die Vergangenheit, nicht abgewaschenes Geschirr überdauert die Ewigkeit und muss vor dem Essen abgewaschen sein, und der Namensgeber für das Mischmaschgemüse im spühlfähigen Alter.

 

Passendes Getränk: Spritziger Weißwein vom Weingut Lackner Tinnacher oder Tegernseer Bier.